Die Physik der Schoulcloud

Axel Krommer äußert sich in seinem Blogbeitrag kritisch über die sogenannte Schoulcloud – und demonstriert seine Kritikpunkte (die ich im Wesentlichen völlig teile!) anhand einer im Rahmen des Digital-Gipfels öffentlich vorgeführten Physikstunde. Ich möchte seinen kritischen Anmerkungen einige physikdidaktische Anmerkungen beifügen:

  • Die grundsätzliche Orientierung an klaren Lernzielen, wie sie zu Beginn deutlich wird, ist m.E. zunächst einmal positiv. Weshalb allerdings das frontale Unterrichtssetting in der Stunde gleich zu Beginn durch die Wiederholung der Vorstunden durch die Lehrerin gelegt wird, bleibt unklar. Im Sinne eines konstruktivistischen Lernverständnisses sollte die Wiederholung doch durch SuS geleistet werden (und gerade hier können Tools wie Etherpads, die Erstellung von Quizzes, …) wichtige Dienste leisten und den Monolog der Lehrerin mindestens deutlich abkürzen – und Lerneffekte auf Seiten der Schülerinnen erhöhen.
  • Die Möglichkeit, Hypothesen in der Schulcloud zu formulieren, finde ich ebenfalls im Grundsatz hilfreich. Allerdings: Weshalb dürfen die SuS nicht ihre Hypothesen ausformulieren und begründen, anstatt Ein-Wort-Vermutungen zu formulieren? Hier erwächst der Eindruck der Technik um der Technik Willen.
  • Das von Axel Krommer kritisierte, auf die Lehrerin ausgerichtete Setting ist besonders pointiert in Minute 36 sichtbar: Die Lehrerin kritisiert selbst unmittelbar Äußerungen von Schülerinnen. Eine Diskussion innerhalb der Lerngruppe (die hier m.E. wichtig wäre) findet nicht statt. Dies ist didaktisch – ganz unabhängig der Nutzung digitaler Medien – mehr als fragwürdig.
  • Das Vorgehen ist, wie von Krommer richtig kritisiert, durch die Lehrerin vorgegeben und geplant. Eigene Räume für die Planung von Experimenten werden nicht eröffnet, wären hier aber durchaus möglich: “Diskutiert zu zweit, wie ihr die einzelnen Abhängigkeiten experimentell untersuchen würdet.” (Analoge, offene Variante), “Recherchiert im Web Möglichkeiten, die Abhängigkeiten experimentell zu untersuchen. Plant basierend auf euren Rechercheergebnissen ein Experiment mit dem an unserer Schule vorhandenen Material” (digitale, geöffnete Variante).
  • Anmerkung: Ich will natürlich nicht sagen, dass jedes Experiment durch die SuS geplant werden muss.

  • Der (zurecht kritisierte) Mehrwert digitaler Technik wird hier nicht deutlich, im Gegenteil: Den “Mehrwert” eines digitalen Arbeitsblattes in der Schulcloud gegenüber einem rein analogen Arbeitsblatt erschließt sich mir nicht.
  • Möglichkeiten der kreativen Auseinandersetzung mit dem Experiment oder auch die geplanten Stolpersteine (“Wie lege ich eigentlich Tabellen sinnhaft an?”) werden im Vorwege aus dem Weg geräumt. Wieso nicht die Schülerinnen Experimente filmisch dokumentieren lassen? Wieso die Tabellen vorgeben?
  • Um gemeinsame Tabellen zu führen lassen sich natürlich auch ganz andere Tools nutzen: GoogleDocs, Office365, Ethercalc, …
  • Am Ende wird die Abhängigkeit (“Wurzel der Masse”) direkt als Generalisierung verkauft. Das ist wissenschaftstheoretisch natürlich mehr als fragwürdig (und ohne theoretische Überlegungen in der Form natürlich Quatsch).

Fazit: Die Engführung der Stunde ist ein Problem der Unterrichtsplanung – und wird durch die digitalen Tools weiter unterstützt. Die Lehrerin ist oft mit Ein-Wort-Antworten zufrieden und bindet die Lerngruppe kaum ins Gespräch ein. Möglichkeiten der Schüler-Schüler-Interaktion gibt es kaum. Digitale Tools werden als reine “Speicherorte” genutzt – und eröffnen keine neuen Horizonte im Umgang mit den Experimenten (Lebensweltbezug, kreative Auseinandersetzung, Recherche im Netz, …).

Hannes Sander